Die politische Linke lasse die Solidarität mit Israel vermissen, wird derzeit gerne behauptet. Doch es mangelt an Belegen für die These.
Es ist möglich, dass der Account marx21 auf X für die “politische Linke” in Deutschland spricht. Bei marx.21 wurde den bestialisch ermordeten Besuchern des Musikfestivals in Israel vorgeworfen, sie hätten eben nicht in einem “besetzen Land” feiern müssen. Oder eine Influencerin mit palästinensischen Wurzeln auf TikTok, die Eltern rät, dass ihre Kinder nicht mitmachen müssen, wenn Lehrer in der Schule eine Schweigeminute für Israel abhalten wollen.
Aber jenseits solcher Randfiguren fällt auf, mit welcher Geschlossenheit die deutsche Politik auf die Ereignisse in Israel reagiert hat. Der Bundestag hat dem Land einstimmig seine Solidarität zugesagt, die Resolution hatten SPD, FDP, Grüne und Union gemeinsam eingebracht. Eine sozialdemokratische Entwicklungsministerin hat die Hilfen für Palästina eingefroren, ein grüner Landwirtschaftsminister hat sich dafür ausgesprochen, die “Samthandschuhe bei muslimischen Verbänden auch mal wegzulassen”, ein ehemaliger Fraktionschef der Partei Die Linke hat gesagt, nun sei nicht die Zeit, über die Verhältnismäßigkeit der israelischen Gegenschläge zu sprechen.
Man hätte sich also mit der Geschlossenheit des Landes einschließlich der Parteien des linken Spektrums angesichts der Lage in Israel befassen können. Das ist aber nicht geschehen. Stattdessen wird eben jener politischen Linken in der Welt vorgehalten, sie müsse endlich die Frage beantworten, ob sie “wirklich noch für Menschenrechte” kämpfe, und für meinen Kollegen Hasnain Kazim hält die Linke “moralische Ansprüche” hoch, sei aber “selbst moralisch bankrott”.
Schon klar: Es gibt linke Spinner. Siehe oben. Spinner gibt es in allen politischen Lagern. Aber man muss schon lange suchen, um unter den linken Spinnern jemanden mit Macht und Einfluss zu finden. Der politisch organisierte Teil der deutschen Linken steht in diesen Tagen fast ausnahmslos auf der Seite Israels. Das ging sogar so weit, dass SPD-Chefin Saskia Esken öffentlich ein Treffen mit dem US-amerikanischen Senator Bernie Sanders absagte, das offensichtlich nicht einmal geplant war, weil Sanders – der selbst Jude ist – die israelische Besatzung von Gaza als völkerrechtswidrig bezeichnet hatte. Muslimische Religionsvereine übrigens sind alles Mögliche, aber nicht links.
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Man kann also jetzt ideologische Kleinkriege führen und sich über Einzelstimmen empören, oder mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis nehmen, dass es in Deutschland (anders als in vielen anderen westlichen Ländern) einen parteiübergreifenden Konsens gibt, den Terror der Hamas zu verurteilen und Israel zu unterstützen. Wenn es in dieser Debatte wirklich um Israel geht.
Die Antwort kurz und einfach: Weil es so gewollt ist.
Sozialismus und Revolutionen verhindert man am besten, indem man jegliche linke Bewegung diskreditiert, so dass die meisten Menschen es nie in Erwägung ziehen würden irgendwie weit nach links zu wandern und ja nicht an die Profite der Herrschenden ran kommen. Ob das nun direkt autoritäre Unterdrückung oder nur Propaganda in Medien und Bildung ist. Das alles trägt seinen Beitrag dazu.
Meinst du mit linker Bewegung die Hamas, oder was?
The Onion hat geschrieben, dass sie Israel unterstützen, weil es dafür offenbar am wenigsten Ärger gibt. Ich glaube, da ist was dran. Allgemein ist mir die Situation in der Gegend zu kompliziert, um bedingungslos eine Seite zu unterstützen. Und jeder der das dennoch tut, ist mir suspekt.
Das finde ich hier entscheidend. Wer “bedingungslos” unterwegs ist, stellt sich damit auf die Seite des Terrors.
Das fande ich besonders krass in der BPK, wo mehrere Journalisten fragen, ob die Bundesregierung ein problem mit dem Kriegsverbrechen der totalen Blockade Gazas hat, und die Regierungssprecher nur mit “wir stehen solidarisch mit Israel” geantwortet haben.
Das ist menschlich wie rechtlich eine Bankrotterklärung, dass Deutschland im 21. Jahrhundert nicht in der Lage ist zu sagen “Kriegsverbrechen sind scheiße und werden von uns nicht unterstützt, egal von wem sie ausgehen.” Insofern ist hier auch die Partei die Linke Teil des Komplettversagens unseres politischen Systems, da sie die Frage der Verhältnismäßigkeit ebenfalls nicht stellen will, bis das Kind in den Brunnen gefallen, bzw. von einer Bombe zerfetzt ist.
Da fällt es mir auch schwer nicht den Vergleich zu den Spinnern zu ziehen, die die Terrorakte der Hamas gefeiert haben.
Wo wird denn verlangt dass man sich als Linker bedingungslos auf die Seite Israels stellen soll?
Wo mir die ganze Zeit die Galle hochkommt ist, wenn wieder diese ganzen „Ja, Hamas böse aber Israel hat ja xyz gemacht, also ist das ja schon irgendwie gerechtfertigt“ Argumentationen herausgewürgt werden, die den Terroranschlag relativieren.
Es gibt keine Rechtfertigung bewusst Zivilisten zu töten.
Die israelische Regierung hat sicherlich viele Fehler begangen, die auch kritisiert werden dürfen, aber eben nicht in einem Atemzug mit dem Terroranschlag als gefühlte „Gegenreaktion“.
Exakt das oben beschriebene macht übrigens „the Onion“.
Und da sie es immer so schön beschreiben mit „wir würden ja nie xyz sagen“ trauen sich jetzt alle, die bisher nicht die Eier in der Hose haben, öffentlich „das hast du verdient Israel“ zu gröhlen, zumindest den Beitrag von the Onion öffentlich geil zu finden.
Das lässt sich doch gar nicht trennen. Das meine ich damit, dass der Komplex zu komplex ist um das mit einer einfachen Reaktion zu beantworten. Die Attacke von Hamas war barbarisch und ist unbedingt zu verurteilen. Aber wenn du daraus Sympathien für den Staat Israel ableitest, dann kann das etwa 10 Minuten anhalten, bis die israelische Armee wahllos palästinensische Zivilisten ermordet.
Was ich mir wünschen würde, ist eine Trennung zwischen Hamas und Palästinensern und Israel und Israelis. Ich stehe auf der Seite der Zivilbevölkerung in der Gegend, also alle Gruppen. Sie sind es, die von Hamas, Siedlern und Armee ermordet werden. Und da kommt mir ebenfalls die Galle hoch, wenn ich lese, dass die Besucher des Musikfestivals ja selbst schuld sind, weil sie ein normales Leben haben wollen. Das ist dieselbe Logik wie “was hat sie sich so freizügig angezogen” um Vergewaltigungen zu relativieren. Es gibt haufenweise Mörder und Arschlöcher auf beiden Seiten und es muss langsam mal möglich sein, die Mörder vom Rest getrennt zu betrachten.
Grundsätzlich richtig, nur sind die Grenzen fließend.
Beispielsweise ist ein israelischer Siedler, der in der West Bank oder nahe Gaza siedelt, nicht mehr so klar ein Zivilist wie z.B. ein Schotte, der in Edinburgh lebt. Siedler sind geopolitisch eine Möglichkeit, Fakten zu schaffen. Ähnlich wie Mauern bauen oder “gegnerische” Siedlungen zerstören. Siedlungspolitik ist strategisch. Sie beeinflusst Abstimmungen und Umfragen in den betroffenen Gebieten, so dass man dann sagen kann “Seht, die Leute dort wollen alle von uns regiert werden!”, oder “Da sind viele Leute unserer Ethnie, wir müssen sie militärisch beschützen!”.
Gleichzeitig befinden sich Siedler quasi per Definition fast immer in Frontnähe, was natürlich mit einem erhöhten Risiko einhergeht. Und wenn man nicht gezielt angegriffen wird, kann immer noch ein Irrtum, Fehler oder Unglück passieren.
Sie erfüllen also strategische Interessen ihres Staates, und gehen bereitwillig ein erhöhtes Sicherheitsrisiko ein. Für mich sind Siedler irgendwo zwischen Zivilisten und Soldaten. Jedenfalls keine reinen Zivilisten mehr. Ja, von der Logik her ähnelt das einer Täter-Opfer-Umkehr. Dennoch scheint mir das in dem Kontext angebracht; sich an Siedlungspolitik betreiben hat eine Täter-Komponente. Dabei auf Gewalt zu stoßen, ist nicht wirklich überraschend.
Für deren Kinder gilt das natürlich nicht mehr, oder höchstens in stark verringertem Maße.
Ich glaube den Unterschied zwischen Kleidung-Vergewaltigung und Siedler-Massaker ist für mich: Das Selbstbestimmungsrecht von Frauen ist unterstützenswert. Niemand wird etwas genommen, wenn Frauen sich attraktiv anziehen. Das Siedlungsrecht von Staaten in umstrittenen Gebieten ist hingegen umstritten. Moralisch fällt es mir sehr viel schwerer, daraus einen “their choice”-case zu machen wie bei Frauen. Die andere Seite kann hier nicht ignoriert werden.
Daher könnte man noch weiter trennen zwischen Israel, Siedlern und Israelis. Wobei Siedler eine Schnittmenge von Staat und Zivilbevölkerung wären, haben Eigenschaften von beidem.
Ähnliche Argumentationen lassen sich für manche Palästinenser aufstellen, die die Hamas auf unterschiedliche Weise unterstützen. Das ist aber noch komplexer, mir zu komplex für Details.
Also grundsätzlich stimme ich dir zu! “Dass der Komplex zu komplex ist um das mit einer einfachen Reaktion zu beantworten.”
Die Trennung zwischen Autorität und Bevölkerung ist richtig und wichtig. Hinzufügen möchte ich, dass es auf beiden Seiten noch eine Mischform gibt, was für den Konflikt sehr relevant ist.
Interessanter Titel, enttäuschender Inhalt. Hatte erwartet etwas über Die Linke zu lesen, z.B. wie die Meinungen zwischen dem Wagenknecht-Lager und dem Rest der Partei auseinander gehen oder zusammen fallen.
Aber um die ging es nicht. Vornehmlich um die SPD. Die Grünen und die CDU wurden bei einem Partei übergreifenden Antrag auch erwähnt, und einmal gab es ein Zitat eines ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Linken.
Aber enttäuschenderweise bin ich nach der Lektüre dieses recht langen Artikels so schlau wie vorher, was das Wissen über die Solidarität der Linken Deutschlands mit Israel im Nachgang des Terrorangriffs angeht.
Edit: das Wesentliche wurde beim Posten herausgeschnitten. Im Original Artikel gibt es noch immerhin diese Abschnitte:
Nun ist Solidarität mit den Palästinensern unter Linken traditionell stärker verbreitet als unter Rechten. Gregor Gysi hat das diese Woche so erklärt: “Die Leute dort leben in ärmlichen und benachteiligten Verhältnissen. Und die Linken sind nun mal auf der Seite der Unterdrückten.” Dass man sich auch selbst unterdrücken kann, das wird dabei vergessen, aber darum geht es ja hier nicht. Derselbe Gysi jedenfalls sagt, dass es nach den Anschlägen vom vergangenen Wochenende nun vor allem um Israel gehe. So oder so ähnlich haben sich praktisch alle prominenten Linken geäußert. Gysis Partei argumentiert in einem Vorstandsbeschluss zwar, dass die Blockade Gazas ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht sei (worüber ja unter Juristen diskutiert wird, Joe Biden hat diesen Punkt auch gemacht), spricht aber von einem “barbarischen Massaker” der Hamas und bezeichnet das Existenzrecht Israels als “historische Notwendigkeit”. Mehr Staatsräson geht in einer pluralistischen Gesellschaft fast nicht.
Zeit hat keine Ahnung, ordnen aber wenigstens Marx21 als Spinner ein, das freut mich. Die SPD hat btw. auch kaum noch was mit links zu tun. Das ist ein Etikettenschwindel.
Generell mal wieder ein Artikel, der nicht über die bürgerliche Bubble des Parlamentarismus hinausgeht.
Welches deutsche Medium ist dem Lemmy Kosmos denn überhaupt noch genehm, wenn es faz und Zeit nicht mehr sind. Ich mein, sind jetzt beides kein Springer und teilweise noch unabhängig
Gute Frage. Man merkt jedenfalls, dass die Qualität oft fehlt. Ich lese z.B. Übermedien und man muss einfach offen feststellen, dass erschreckende Zustände vorliegen. Ich bin da auch nicht alleine, wenn ich das feststelle.
Du sagst es richtig. Die Zeit hat keine Ahnung. Aber marx21 sind nicht nur gewöhnliche Spinner, sondern Trotzkisten - genauso wie Klasse gegen Klasse oder Teile der Redaktion der Jungen Welt. Eine Methode des Trotzkismus ist übrigens Entrismus: Die Unterwanderung bzw. personelle Übernahme von Organisationen und Bewegungen. Das kann man bei Klasse gegen Klasse sogar nachlesen: Was ist Entrismus?
Ich weiß das wohl. Ich kenn die ganz gut. 🤷♂️
Stichwort Etikettenschwindel: verlinkst du mir noch den Kommentar mit der Erklärung?
Ach, nerv net. Schreib mir ne DM, dann geh ich vll. drauf ein. So gehen wir nur allen auf den Piss.
Jaja, alle anderen wären total genervt davon, wenn hier noch ein weiterer Kommentar mit einem Link wäre… Schon klar.
Wo isser denn? Dein Kommentar in dem du’s erklärst?Und ich dachte ich wäre penetrant 🤣
Du könntest auch einfach liefern was du versprichst.
Klar, ich schreib dir eben per Handytastatur einen Aufsatz. Was war nochmal dein Problem? Du hast nicht verstanden warum der technische Fortschritt seit dem Mauerfall nicht aufgehört hat und deswegen ein Vergleich des Lebensstandarts der damaligen DDR mit der heutigen BRD unfair ist, oder?
Also mich interessiert wie “perfekte Utopie anstreben, nichts dafür tun und im Internet oder am Bahnhof darüber jammern, warum das nichts wird” mit historischem Materialismus zu tun hat.
Du kannst mir aber trotzdem auch gerne erzählen, ob du lieber in der DDR oder im heutigen Deutschland leben wollen würdest.
Klar, ich schreib dir eben per Handytastatur einen Aufsatz.
Du sagst doch, du hast das bereits alles erklärt. Ich frage dich einfach nur nach dem Link zu dem Kommentar. Kann doch nicht so schwer sein.