Der Anführer der Wagner-Miliz hat offenbar den Stab des Südlichen Militärbezirks in Rostow eingenommen. Putin hat im Ringen zwischen Freischärlern und Militär lange keine Stellung bezogen. Das rächt sich jetzt.
Alsbald behauptete Prigoschin, Schojgu sei um 21 Uhr „feige aus Rostow geflohen“. Der Minister habe nicht erklären wollen, warum er Hubschrauber habe aufsteigen lassen, „um unsere Jungs zu vernichten“, und warum er Raketenschläge angeordnet habe, werde aber aufgehalten. Ziel des angeblichen Militärschlags gegen die Wagner-Miliz sei es gewesen, „ungehorsame Einheiten zu vernichten, die bereit sind, die Heimat zu schützen, aber nicht ihre Ärsche“, sagte Prigoschin über seine Gegner.
Der Milizenführer bezifferte die Zahl seiner Männer auf 25.000 – über wie viele er wirklich verfügt, ist unklar. „Die ganze Armee und das ganze Land“ seien seine „strategische Reserve“, sagte Prigoschin und rief alle dazu auf, sich ihm anzuschließen, „um diesem Unfug ein Ende zu machen“. Es handele sich „nicht um einen Militärputsch“, sagte Prigoschin bald darauf, sondern um einen „Marsch der Gerechtigkeit“. Man störe die Soldaten nicht, deren Mehrheit „uns glühend unterstützt“, erhalte Mitteilungen des Dankes: Endlich werde es jemand erreichen, dass den Soldaten Munition gegeben werde und sie nicht länger als Kanonenfutter geopfert würden. Gerade habe er, Prigoschin, erfahren, dass Schojgu befohlen habe, in einer Rostower Leichenhalle 2000 Leichen zu verstecken, „um die Verluste nicht zu zeigen“.
„Jetzt gehen wir nach Rostow“
Prigoschin sagte, man habe die Grenzen überschritten, Grenzer und Wagner-Milizionäre hätten einander umarmt. „Jetzt gehen wir nach Rostow“, sagte Prigoschin. Ihnen würde nur Wehrpflichtige entgegengestellt, die gingen aber beiseite, „wir kämpfen nicht mit Kindern, wir töten Kinder nicht“. Nur Schojgu töte Kinder, „wenn er nicht ausgebildete Soldaten, unter ihnen Wehrpflichtige, in den Krieg wirft“. Man reiche jedem die Hand, sagte Prigoschin und rief dazu auf, das Angebot anzunehmen, da ansonsten Vernichtung drohe. „Wir gehen weiter, wir gehen bis zum Ende.“
Belegfrei behauptete Prigoschin gegen halb drei Ortszeit, Gerassimow habe angeordnet, aus Kampfflugzeugen das Feuer auf Kolonnen ziviler Fahrzeuge zu eröffnen“, doch hätten sich die Piloten geweigert, die „verbrecherischen Befehle“ zu befolgen. Knapp eine Stunde später sagte Prigoschin, offenbar mit Blick auf die Mitteilung des FSB vom „Stoß in den Rücken“ der Armee, man hindere nur „Verbrecher, die rund 100.000 russische Soldaten vernichtet haben, daran, ihren Arsch zu retten: Gerassimow und Schojgu.“
Später behauptete Prigoschin, Wagner habe einen Kampfhubschrauber abgeschossen und eine Barriere auf der Autobahn M4 vernichtet. Die Straße verbindet das südwestrussische Gebiet Krasnodar, wo Wagner sein Hauptlager hat, über Rostow mit der Hauptstadt. „Wir sind alle bereit, zu sterben, alle 25.000. Und danach noch 25.000. Denn wir sterben für die Heimat, das russische Volk.“ Um sieben Uhr Ortszeit behauptete Prigoschin, gekämpft werde dort, wo die Militärführung den Soldaten falsche Informationen gebe. Viele Soldaten, Polizisten, Nationalgardisten liefen über, schon „60, 70“ seien zu Wagner gestoßen, „obwohl wir noch keinen großen Weg zurückgelegt haben. Ich glaube, die halbe Armee ist bereit, mit uns zu gehen.“„Einen Bürgerkrieg im Land zu entfesseln, das fehlt uns gerade noch“
Bilder aus Rostow zeigen Bewaffnete und Panzer im Stadtzentrum. Dabei war teils unklar, ob es sich um reguläre Soldaten oder um Prigoschins Leute handelte. Der Rostower Gouverneur empfahl den Bewohnern des Gebiets, in ihren Häusern zu bleiben. Auch in Moskau wurden am späten Freitagabend gepanzerte Fahrzeuge im Stadtzentrum gefilmt. Am Samstagmorgen verkündeten der Bürgermeister der Hauptstadt und der Gouverneur des Moskauer Gebiets „antiterroristische Maßnahmen“ wie zusätzliche Straßenkontrollen. Aus Sankt Petersburg wurde eine Razzia im dortigen Wagner-Hauptquartier gemeldet. Die Regierung des westrussischen Gebiets Woronesch, das an das Rostower Gebiet grenzt, berichtete über eine Kolonne von Militärtechnik, die sich auf der M4 bewege, und rief dazu auf, die Straße nicht zu nutzen. Die Lage sei „unter Kontrolle“.
Prigoschins Söldner sind seit Jahren im Donbass und an anderen Schauplätzen wie Syrien aktiv. Als die Lage an den ukrainischen Fronten im vergangenen Jahr schwierig wurde, witterte Prigoschin offenkundig eine Chance. Vom vergangenen Sommer rekrutierte in russischen Straflagern Tausende Häftlinge, die für Wagner an die Front zogen. Das wäre ohne Zutun des Militärs und des FSB nicht möglich gewesen.
Im Oktober triumphierte Prigoschin, als ein ihm bekannter General, Sergej Surowikin, das Kommando über die Ukraineinvasion erhielt. Doch mit anderen Teilen des Apparats gab es Reibereien, die schließlich dazu führten, dass Prigoschin die Rekrutierung in den Straflagern untersagt worden sein soll. Erster sichtbarer Erfolg wurde für den Milizenführer die Einnahme des zerstörten Ortes Soledar im Januar, den auch das Verteidigungsministerium sowie das Staatsfernsehen dann Wagner zuschrieben. Im Kampf um das benachbarte Bachmut hat Prigoschin nach eigenen Angaben 20.000 Mann verloren, andere vermuten noch mehr Tote. Surowikin musste das Kommando über die Invasionstruppen schon im Januar an den Generalstabschef abgeben, ist seither einer von drei Stellvertretern Gerassimows und soll unter anderem die Zusammenarbeit mit Wagner koordinieren.
In der Nacht auf Samstag appellierte Surowikin an die Wagner-Milizionäre, „anzuhalten“ und nicht „dem Gegner in die Hände zu spielen in dieser für das Land schweren Zeit“. Es sei „noch nicht zu spät, sich dem Willen und Befehl des vom ganzen Volk gewählten Präsidenten der Russischen Föderation unterzuordnen, die Kolonnen anzuhalten und alle Probleme auf friedlichem Wege zu lösen“. Auch GRU-Mann Alexejew meldete sich zu Wort, sprach wie der FSB von einem „Stoß in den Rücken“ und einem „Staatsstreich“. „Einen Bürgerkrieg im Land zu entfesseln, das fehlt uns gerade noch“, sagte Alexejew. Wenige Stunden später erschien derselbe Mann schon als Prigoschins Gesprächspartner in Rostow, bewacht von Wagner-Kämpfern.
Alsbald behauptete Prigoschin, Schojgu sei um 21 Uhr „feige aus Rostow geflohen“. Der Minister habe nicht erklären wollen, warum er Hubschrauber habe aufsteigen lassen, „um unsere Jungs zu vernichten“, und warum er Raketenschläge angeordnet habe, werde aber aufgehalten. Ziel des angeblichen Militärschlags gegen die Wagner-Miliz sei es gewesen, „ungehorsame Einheiten zu vernichten, die bereit sind, die Heimat zu schützen, aber nicht ihre Ärsche“, sagte Prigoschin über seine Gegner.
Der Milizenführer bezifferte die Zahl seiner Männer auf 25.000 – über wie viele er wirklich verfügt, ist unklar. „Die ganze Armee und das ganze Land“ seien seine „strategische Reserve“, sagte Prigoschin und rief alle dazu auf, sich ihm anzuschließen, „um diesem Unfug ein Ende zu machen“. Es handele sich „nicht um einen Militärputsch“, sagte Prigoschin bald darauf, sondern um einen „Marsch der Gerechtigkeit“. Man störe die Soldaten nicht, deren Mehrheit „uns glühend unterstützt“, erhalte Mitteilungen des Dankes: Endlich werde es jemand erreichen, dass den Soldaten Munition gegeben werde und sie nicht länger als Kanonenfutter geopfert würden. Gerade habe er, Prigoschin, erfahren, dass Schojgu befohlen habe, in einer Rostower Leichenhalle 2000 Leichen zu verstecken, „um die Verluste nicht zu zeigen“. „Jetzt gehen wir nach Rostow“
Prigoschin sagte, man habe die Grenzen überschritten, Grenzer und Wagner-Milizionäre hätten einander umarmt. „Jetzt gehen wir nach Rostow“, sagte Prigoschin. Ihnen würde nur Wehrpflichtige entgegengestellt, die gingen aber beiseite, „wir kämpfen nicht mit Kindern, wir töten Kinder nicht“. Nur Schojgu töte Kinder, „wenn er nicht ausgebildete Soldaten, unter ihnen Wehrpflichtige, in den Krieg wirft“. Man reiche jedem die Hand, sagte Prigoschin und rief dazu auf, das Angebot anzunehmen, da ansonsten Vernichtung drohe. „Wir gehen weiter, wir gehen bis zum Ende.“
Belegfrei behauptete Prigoschin gegen halb drei Ortszeit, Gerassimow habe angeordnet, aus Kampfflugzeugen das Feuer auf Kolonnen ziviler Fahrzeuge zu eröffnen“, doch hätten sich die Piloten geweigert, die „verbrecherischen Befehle“ zu befolgen. Knapp eine Stunde später sagte Prigoschin, offenbar mit Blick auf die Mitteilung des FSB vom „Stoß in den Rücken“ der Armee, man hindere nur „Verbrecher, die rund 100.000 russische Soldaten vernichtet haben, daran, ihren Arsch zu retten: Gerassimow und Schojgu.“
Später behauptete Prigoschin, Wagner habe einen Kampfhubschrauber abgeschossen und eine Barriere auf der Autobahn M4 vernichtet. Die Straße verbindet das südwestrussische Gebiet Krasnodar, wo Wagner sein Hauptlager hat, über Rostow mit der Hauptstadt. „Wir sind alle bereit, zu sterben, alle 25.000. Und danach noch 25.000. Denn wir sterben für die Heimat, das russische Volk.“ Um sieben Uhr Ortszeit behauptete Prigoschin, gekämpft werde dort, wo die Militärführung den Soldaten falsche Informationen gebe. Viele Soldaten, Polizisten, Nationalgardisten liefen über, schon „60, 70“ seien zu Wagner gestoßen, „obwohl wir noch keinen großen Weg zurückgelegt haben. Ich glaube, die halbe Armee ist bereit, mit uns zu gehen.“„Einen Bürgerkrieg im Land zu entfesseln, das fehlt uns gerade noch“
Bilder aus Rostow zeigen Bewaffnete und Panzer im Stadtzentrum. Dabei war teils unklar, ob es sich um reguläre Soldaten oder um Prigoschins Leute handelte. Der Rostower Gouverneur empfahl den Bewohnern des Gebiets, in ihren Häusern zu bleiben. Auch in Moskau wurden am späten Freitagabend gepanzerte Fahrzeuge im Stadtzentrum gefilmt. Am Samstagmorgen verkündeten der Bürgermeister der Hauptstadt und der Gouverneur des Moskauer Gebiets „antiterroristische Maßnahmen“ wie zusätzliche Straßenkontrollen. Aus Sankt Petersburg wurde eine Razzia im dortigen Wagner-Hauptquartier gemeldet. Die Regierung des westrussischen Gebiets Woronesch, das an das Rostower Gebiet grenzt, berichtete über eine Kolonne von Militärtechnik, die sich auf der M4 bewege, und rief dazu auf, die Straße nicht zu nutzen. Die Lage sei „unter Kontrolle“.
Prigoschins Söldner sind seit Jahren im Donbass und an anderen Schauplätzen wie Syrien aktiv. Als die Lage an den ukrainischen Fronten im vergangenen Jahr schwierig wurde, witterte Prigoschin offenkundig eine Chance. Vom vergangenen Sommer rekrutierte in russischen Straflagern Tausende Häftlinge, die für Wagner an die Front zogen. Das wäre ohne Zutun des Militärs und des FSB nicht möglich gewesen.
Im Oktober triumphierte Prigoschin, als ein ihm bekannter General, Sergej Surowikin, das Kommando über die Ukraineinvasion erhielt. Doch mit anderen Teilen des Apparats gab es Reibereien, die schließlich dazu führten, dass Prigoschin die Rekrutierung in den Straflagern untersagt worden sein soll. Erster sichtbarer Erfolg wurde für den Milizenführer die Einnahme des zerstörten Ortes Soledar im Januar, den auch das Verteidigungsministerium sowie das Staatsfernsehen dann Wagner zuschrieben. Im Kampf um das benachbarte Bachmut hat Prigoschin nach eigenen Angaben 20.000 Mann verloren, andere vermuten noch mehr Tote. Surowikin musste das Kommando über die Invasionstruppen schon im Januar an den Generalstabschef abgeben, ist seither einer von drei Stellvertretern Gerassimows und soll unter anderem die Zusammenarbeit mit Wagner koordinieren.
In der Nacht auf Samstag appellierte Surowikin an die Wagner-Milizionäre, „anzuhalten“ und nicht „dem Gegner in die Hände zu spielen in dieser für das Land schweren Zeit“. Es sei „noch nicht zu spät, sich dem Willen und Befehl des vom ganzen Volk gewählten Präsidenten der Russischen Föderation unterzuordnen, die Kolonnen anzuhalten und alle Probleme auf friedlichem Wege zu lösen“. Auch GRU-Mann Alexejew meldete sich zu Wort, sprach wie der FSB von einem „Stoß in den Rücken“ und einem „Staatsstreich“. „Einen Bürgerkrieg im Land zu entfesseln, das fehlt uns gerade noch“, sagte Alexejew. Wenige Stunden später erschien derselbe Mann schon als Prigoschins Gesprächspartner in Rostow, bewacht von Wagner-Kämpfern.