Nach der Bundestagswahl ist vor dem 24. Juni. Dann treffen sich die NATO-Staaten zu einem Gipfel, auf dem sie ein neues Beitragsziel beschließen dürften. Klar ist, dass es höher ausfallen dürfte als das bisherige, wonach die Mitglieder des Verteidigungsbündnisses zwei Prozent der Wirtschaftskraft in die Verteidigung investieren sollen. Nach dieser Bundestagswahl dürfte es für die künftige Bundesregierung aber komplizierter werden, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen.

Schon das 100-Milliarden-Sondervermögen war nötig, um überhaupt auf etwa zwei Prozent zu kommen. Dafür musste das Grundgesetz geändert werden, weil die Schuldenbremse nicht nur für den regulären Haushalt gilt, sondern auch für solche Nebenposten. Für künftige Sondervermögen für Verteidigung ist aber keine abermalige Zwei-Drittel-Mehrheit in Sicht. Eine Finanzierung der künftigen Ausgaben allein aus dem regulären Haushalt scheint angesichts der zu erwartenden Summen unmöglich.

Auch wenn Friedrich Merz eine Koalition aus CDU, CSU und der SPD schmiedet, ist eine Mehrheit, die das Grundgesetz ändern kann, nicht in Sicht. Dafür sind zwei Drittel der Stimmen im Bundestag notwendig. Die Union kommt mit Sozialdemokraten und den künftig wohl oppositionellen Grünen nur auf 413 Stimmen. Da der Bundestag aber insgesamt 630 Sitze hat, reicht das nicht, um die Verfassung zu ändern.

Merz wäre als Bundeskanzler also auf Stimmen aus der Linken oder der AfD angewiesen, zusammen haben beide im neuen Bundestag eine Sperrminorität. Doch beide sind Gegner deutscher Aufrüstung angesichts der russischen Bedrohung. Linken-Chef Jan van Aken rechnete am Sonntagabend vor, dass allein die europäischen NATO-Mitglieder mehr für ihr Militär ausgeben als Russland. Die AfD wiederum strebt eine Annäherung an Russland an, unter anderem um wieder günstiges Erdgas von dort beziehen zu können. Im Wahlprogramm der Partei steht aber auch, dass die Bundeswehr für die Landes- und Bündnisverteidigung „finanziell gut ausgestattet“ und über genügend Material und Personal verfügen müsse. Beim 100-Milliarden-Sondervermögen stimmten im Juni 2022 von den 80 Mitgliedern der AfD-Fraktion 33 zu.

Ein neues Sondervermögen dürfte Merz daher nur unter großen Mühen ins Grundgesetz geschrieben bekommen. Um die Schuldenbremse mit einfacher Mehrheit überwinden zu können, müsste die künftige Koalition eine Notlage beschließen. Nach überwiegender Auffassung sind aber weder die strukturelle Unterfinanzierung der Bundeswehr in den vergangenen Jahren noch der andauernde Krieg in der Ukraine Grund genug für eine solche.

Bliebe eine Reform der Schuldenbremse (oder eine Finanzierung über europäische, gegebenenfalls auch neue Töpfe). Doch auch für eine Reform der nationalen Schuldenregeln ist im nächsten Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. Für eine grundsätzliche Reform wäre die Linke wohl zu haben. In ihrem Wahlprogramm schrieb sie: „Die Schuldenbremse muss weg“. Unmittelbar ging der Satz so weiter: „Und der Militärhaushalt muss sinken.“

  • Badnerland@feddit.org
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    21 hours ago

    Ich find’s ja spannend dass das auch ein Thema ist zu dem die Grünen sich direkt äußern konnten.

    Klima, Sozialabbau, Fremdenfeindlichkeit, dazu kommen vielleicht später Äußerungen, schlimm ist, dass nicht wie gewünscht aufgerüstet werden kann 💀

    Grünen-Co-Chefin: Merz muss Weg für höhere Verteidungsausgaben finden

    Grünen-Co-Parteichefin Franziska Brantner macht Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz dafür verantwortlich, dass es im neugewählten Bundestag voraussichtlich keine Zwei-Drittel-Mehrheit für höhere Verteidigungsausgaben gibt. “Er hat einen Wahlkampf geführt, der dieses Land polarisiert hat, der dazu beigetragen hat, dass die Mitte geschwächt wurde”, sagt Brantner vor der Parteizentrale in Berlin. “Und das ist genau leider das Ergebnis, dass es jetzt keine Zwei-Drittel-Mehrheit mehr in diesem Bundestag für diese wichtigen Aufgaben gibt.” Merz trage jetzt “auch die Verantwortung, Wege daraus zu finden”. Die Grünen stünden auch in Oppositionszeiten an der Seite der Ukraine und für ein starkes Europa.

    • 5714@lemmy.dbzer0.com
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      20 hours ago

      Naja, die Grünen (und deren Wähler:innen) wissen dass die Union bei Klima, Armut, Rassismus ziemlich gegensätzliche Positionen verfolgt, während es bei der internationalen Verteidigungspolitik Überschneidungen beider Parteien gibt.

      Die Äußerung ist eine Art Angebot zur Pragmatik: Es wird wahrscheinlich keine Kenia-Koalition geben, die Friedrich M. zum Kanzler wählt, aber die Grünen sind bereit bei Zweidrittelmehrheitsentscheidungen als Minderheit mitzuverhandeln.

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      19 hours ago

      Klima, Sozialabbau, Fremdenfeindlichkeit

      Diese Themen kannst du alle vergessen, wenn Deutschland unter der Fuchtel von Moskau steht.

    • doktormerlin@feddit.org
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      21 hours ago

      Der Rest ist halt egal, weil eine einfache Mehrheit vollkommen ausreicht. Aber die Schuldenbremse als Problem bei der Bundeswehrfinanzierung braucht die ⅔ Mehrheit und die bekommt Merz jetzt nicht.

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        19 hours ago

        Der alte Bundestag kann die Schuldenbremse noch abschaffen. Das hat Merz auch schon angedeutet.

        • doktormerlin@feddit.org
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          18 hours ago

          Ja und deshalb sind die Grünen dafür das jetzt schnell zu machen, bevor die Sperrminorität wichtig wird.

          Beim Rest ist die halt egal

          • kossa@feddit.org
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            35 minutes ago

            Die Sperrminorität ist ja nur wichtig, wenn man die Schuldenbremse nur für spezifische Zwecke reformieren will.

            Wenn man ehrlich einfach die Schuldenbremse endlich auf die Müllhalde der Geschichte werfen würde, dann würde die Linke aber mit wehenden Fahnen dafür stimmen, auch wenn sie weiß, dass es mindestens 4 Jahre nur für Verteidigung genutzt würde, und nicht für andere Investitionen.

          • Don_alForno@feddit.org
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            1 hour ago

            So ein Unfug. Für den Rest muss die Schuldenbremse ebenso fallen. Und wenn Merz dazu bereit ist, wird die sogenannte Sperrminorität kein Problem sein, weil die Linke zustimmen wird.

            Das einzige, was man jetzt noch schnell durchziehen müsste, wäre eine Ausnahme spezifisch für mehr Bomben, ohne gleichzeitig auch den Weg für die Alimentierung ungewaschener Erstklässler und verhasster Bahngleise frei machen zu müssen. Und wenn sich die Grünen dafür hergeben, ist das die endgültige Bestätigung, dass man als Linker über diese Partei nicht mehr nachzudenken braucht.

          • VerifiedSource
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            18 hours ago

            Egal ist die Sperrminorität ganz und gar nicht. Sie wird die Arbeit des Bundestags spürbar behindern.