Besonders interessant fand ich:
Sie verfangen am besten bei jungen Menschen, deren religiöse Vorbildung gering ist, die sich in einer Orientierungsphase befinden, nach einem Weg im Leben suchen. Und die wenig Vertrauen in Politik und Zivilgesellschaft hierzulande haben. Bei den Muslimen, die einen gefestigten Glauben haben und mit sich im Reinen sind, wirken solche Videos kaum.
Das deckt sich auch mit dem, wie ich es subjektiv erlebe. Ich habe über Ecken angeheiratete Verwandte mit Wurzeln in Pakistan, die ich schon als sehr gläubig bezeichnen würde, die allerdings auch gut in ihrer Gemeinde eingebunden sind, auf einer intellektuellen Ebene ihre Glaubenssätze in der Komplexität der Welt verstehen, und die auch sonst einfach in die Alltagspopkultur eingebunden sind. (Besser als ich, ich habe definitiv weniger Ahnung, was so in Fernsehen und Kino läuft und worüber man sich so auf Arbeit smalltalkmäßig unterhält.)
Selbst wenn ich versuche meine subjektive Voreingenommenheit zu hinterfragen, sehe ich da sehr wenig Chance auf eine Radikalisierung in diese Form des Islamismus. Selbst dort, wo sie aus religiösen Gründen mit Dingen politisch nicht d’accord sind, finde ich meistens eine “Gott regelt das, er hat die Ungläubigen auch mit Grund erschaffen, das darf man nicht erzwingen, wenn einem keine Gewalt widerfährt” - Einstellung.
Frag mal deine Verwandtschaft was mit Ex-Muslimen zu tun ist.
Hab ich schon, ist bei ihrer Gemeinde eine reine Gewissensentscheidung, wegen Grundsätzen wie diesen musste die Gemeinde der Familie auch aus Pakistan fliehen. Aber Apostaten sind dort zumindest genauso “mit Vorbehalt” akzeptiert wie ich als offener Atheist, wobei es natürlich dennoch schwierig ist - sozialer Druck und Ausgrenzung sind real, ich nehme stark an, dass sie bei eigenen Kindern bescheuerter reagieren würden. Das halte ich jetzt aber auch nicht für ein essentiell denen eigenes Problem. Habe ich so auch schon bei einer urdeutschen Mutter, deren Tochter als Lesbe rauskam erlebt.
Dass im Alltagsislam noch echte Probleme vorherrschen, mit Apostasieverständnis, Antisemitismus und so, muss mir hier keiner übers Internet erzählen, mit der Implikation “Ich weiß besser, wie die so sind.”
Der Artikel macht ja auch klar: Mit einer Bildung die das Verständnis der eigenen religiösen und Gemeinde-Identität in einen humanistischen, universalistischen Kontext stellt, ist die Eingliederung eben möglich, und da liegt das Versäumnis, eine derartige ins eigene Kulturgefüge eingliedernde Bildung zu bieten. Während das Auftrennen in “die da” mit einem oberflächlichen Halbverstehen eben genau den Islamismuspredigern in die Hände spielt, ihre Auslegungen ja sogar spiegelt - In deiner Aussage war ja auch impliziert, dass die Auslegung der Islamisten, Apostaten haben das Todesurteil verdient, sei die “normale” und irgendwo sogar “richtige” Auslegung. Dabei ist das genauso durcheinander und komplex wie mit allen Dogmen, die Menschen so haben. Im Gegensatz zu dem, was manche Wahhabbis so lehren, ist der Islam ja eben auch nicht ein starres Gebäude, sondern Menschengemacht und -interpretiert.
Dass im Alltagsislam noch echte Probleme vorherrschen, mit Apostasieverständnis, Antisemitismus und so, muss mir hier keiner übers Internet erzählen, mit der Implikation “Ich weiß besser, wie die so sind.”
Aber wie soll ich mich denn jetzt wichtig und schlau fühlen wenn ich das nicht darf? 🥺👉🏻👈🏻